„Führen mit Kennzahlen“ oder „Kennzahlen statt Führung“

Welchen Mehrwert kann Business Intelligence tatsächlich für die Führungsebene bedeuten?

Business Intelligence (BI) führt zu einer Rationalisierung des Managements. Rationalisierung bedeutete früher, einfache Tätigkeiten von einfachen Leuten zu automatisieren, um Personal zu sparen. Führungskräfte waren die Handelnden, sie hatten die Aufgabe, die Rationalisierung zu organisieren.

Heute sind sie selbst Gegenstand der Rationalisierung: Management-Informationssysteme, ERP-, CRM- und BI-Systeme sorgen dafür, dass Entscheidungen und Führung systematisiert und transparent werden. Die Leitplanken für Manager werden klarer, Management als Leistung vergleichbarer. Der Nimbus verblasst.

Das schmeckt nicht allen im Management. Das Verständnis von Führung ist mit Rationalisierung oft nicht vereinbar. „Management hat man im Blut“, „das kann man – oder man kann es nicht“. Entscheidungen werden mit Faustregeln, mit Fingerspitzen- oder mit Bauchgefühl getroffen, manche haben dafür einfach den richtigen Riecher – und es soll auch Manager geben, die es „im Urin“ haben.

Rationalisierung des Managements heißt eigentlich nichts weiter, als dass im Wettbewerb der Körperteile dem Gehirn eine größere Rolle zuwächst. Das Zusammenwirken der verschiedenen Faktoren des Unternehmens ist verstehbar, die Informationen sind transparent und die Regeln für Entscheidungen sind definiert. Dieses Verständnis entzaubert die Welt des Managements, und es entlastet Führungskräfte von der Bürde, alles aus dem Bauch heraus entscheiden zu müssen. Aber es nimmt eben auch bestimmte lieb gewonnene Freiheiten. Wer BI einsetzen will, muss mit diesem Spannungspotenzial rechnen.

Business Intelligence macht Wissen aus allen Bereichen des Unternehmens abrufbar. Das in Zahlen gegossene Wissen steht dabei im Vordergrund. Was nicht in Zahlen gemessen wird, droht aus dem Blickfeld zu fallen. „What gets measured gets done“ - Kennzahlen steuern das Unternehmen. Diese Haltung, verbunden mit einem engmaschigen Netz an verfügbaren Zahlen, kann im Extrem dazu führen, dass nur noch getan wird, was gemessen wird. Ziele und Maßnahmen leiten sich dann aus den Kennzahlen ab, die im BI-Projekt als relevant definiert wurden.

Aus dem Blickwinkel der Organisationsentwicklung sind im Vorfeld von BI-Projekten deshalb zwei Punkte unverzichtbar:

  1. Machen Sie Ihre Strategie transparent. Klären Sie, welche Herausforderungen Sie heute meistern müssen, um übermorgen Ihre Marktposition zu behaupten. Legen Sie Kriterien fest, an denen Sie diesen Erfolg messen können. Nur so können Sie sicher gehen, dass Ihre BI Sie mit relevantem Wissen versorgt. Andernfalls erhalten Sie einfach einen Zahlenteppich.
  2. Sorgen Sie dafür, dass Ihre Führungskräfte auf allen Ebenen dieses Wissen für ihre Führungsarbeit nutzen. Dazu genügt es nicht, in Schulungen die Bedienung des BI-Systems zu erläutern. Führen mit Kennzahlen ist für Führungskräfte nicht selbstverständlich, es muss gelernt werden. Das regelmäßige Feedback der Kennzahlen ersetzt nicht die Rückmeldung über Verhalten und Kommunikation. Die größte Gefahr in BI-Projekten lauert in der Versuchung, die Kennzahlen als Ersatz für fehlende Führungskompetenz zu nutzen.

Kontakt: Dr. Rainer Feldbrügge, Dr. Feldbrügge Personal- und Organisationsberatung, rf@feldbruegge.com

www.feldbruegge.com